Alle drei Anwält*innen hatten im Verlaufe der letzten Zeit Haftbeschwerden gegen die Inhaftierung von Carlo, Ralph und Ava eingelegt – leider erfolglos. Wir gehen im folgenden ein bisschen auf die Argumente und Gegenargumente ein, die zu der Entscheidung geführt haben.
Der Beschluss zur Untersuchungshaft wegen der Kraftwerksblockade in Jänschwalde war vom Amtsgericht Cottbus begründet mit dem dringenden Tatverdacht, dort Hausfriedensbruch, Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe begangen zu haben und der Fluchtgefahr, die wegen der Verweigerung der Personalien bestehen würde. Die Anordnung der Untersuchungshaft sei wegen dem hohen Schaden und der zu erwartenden Strafe verhältnismäßig. In einem Beschluss forderte das Gericht, dass sich eine Kaution an der Höhe des Schadens (also über 3 Millionen) orientieren müsste, in einem anderen schloss es das ganz aus.
Alle Anwält*innen der drei Inhaftierten legten Haftbeschwerden gegen diesen Beschluss ein und begründeten diese ausführlich.
Schon der Tatverdacht ist unklar: In den Akten gibt es wenig Infos zu den konkreten Personen und deren Identifizierung bzw. Zuordnungen zu konkreten Aktivitäten. In einem Haftbefehl werden Zeug*innen angeführt, von denen weder Berichte noch Vernehmungen in der Akte sind, die nicht existieren oder die nicht beschrieben haben, was denn die Angeklagte eigentlich gemacht haben soll. Auch am Schaden, denn die LEAG angegeben hat, ist viel Spekulation. So wurden von den Mehrkosten an der Strombörse beispielsweise die eingesparten Kosten durch weniger Verbrauch von Braunkohle gar nicht abgezogen. So werden zulasten der Angeklagten künstlich die Kosten hochgerechnet, um bei den Gerichten möglichst hohe Strafen und weitere U-Haft zu rechtfertigen – die Inhaftierung ist wohl vor allem politisch motiviert.
Die Aktion ist natürlich aus unserer Sicht richtig, wenn das so mit herrschenden Gesetzen argumentiert wird, geht das über den rechtfertigender Notstand. Schon in der Pressemitteilung der Aktion wird die gegenwärtige Gefahr durch die Klimakrise beschrieben. Diese gilt global, aber auch in der Region ist die Wasserversorgung konkret durch das Kraftwerk gefährdet. Der Anstieg globaler Temperaturen ist belegt und stellt eine gegenwärtige Gefahr dar. Die Bundesregierung hatte sich zur Einhaltung des 2-Grad-Ziels verpflichtet und vereinbart, einen Temperatur-Anstieg möglichst auf 1,5-Grad zu begrenzen. Selbst mit dem sofortigen Stopp fossile Energien zu verbrennen wäre das schwer möglich – von Seiten der Regierung gibt es also keine Bestrebungen die Gefahren für uns alle zu minimieren. Dagegen hilft die Aktion mit breiter medialer Berichterstattung, die auch in den Haftbeschwerden aufgegriffen wurde, auf die Öffentlichkeit zu wirken und bildet so einen sinnvollen Bestandteil um den Kohleausstieg zu erreichen. Insbesondere kann so vielleicht verhindert werden, dass weitere Blöcke des Kohlekaftwerks Jänschwalde wieder in Betrieb gehen – wie aktuell diskutiert. Deshalb greift der §34 des Strafgesetzbuches, der sogenannte rechtfertigende Notstand, der auch gesetzlich vorschreibt, dass Taten zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen straffrei bleiben müssen, wenn sie geeignet sind, diese Gefahr auch abzuwehren.
Das Landgericht ist der Meinung, dass das Kraftwerk Jänschwalde auf gesetzlicher Grundlage läuft und deshalb kein Recht auf Eingriffe in den Betrieb und Gesetzesbruch besteht. Es ignoriert also, dass die bestehende Klimakrise mit gesetzlichen Mitteln gerade ganz offensichtlich nicht abgewendet wird. Ansonsten reichen die Lichtbilder für den Tatverdacht aus. Aber was wollen wir schon von den Gerichten der Herrschenden erwarten?
Ein weiteres Argument gegen die Inhaftierung war, dass die Untersuchungshaft weder verhältnismäßig noch notwendig ist. Normalerweise ist für solcherlei Aktionen keine Freiheitsstrafe zu erwarten, schließlich muss berücksichtigt werden, dass die Menschen uneigennützig handeln. Für eine kurze Freiheitsstrafe anstelle einer üblicheren Geldstrafe müsste es in der Persönlichkeit der Täter*innen liegende Gründe geben. Die Personalienverweigerung gehört aber nicht zur Persönlichkeit und dürfte nicht der Grund dafür sein, dass hier Haft- statt Geldstrafen seitens der Gerichte im Raums stehen. Die Bezahlung einer Geldstrafe zu sichern ginge für unbekannt gebliebene Personen auch darüber, dass Geld in Höhe der erwartenden Strafe beim Gericht hinterlegt würde – eigentlich gibt es sogar extra für diesen Fall Paragrafen. Die Gerichte wollten davon jedoch nichts wissen, weil sie davon ausgehen, dass die Eingesperrten nicht wohnungslos seien – obwohl sie nichts über diese wissen – damit die Hinterlegung einer Kaution ausgeschlossen werden kann. Mögliche Ladungen gingen auch über die Anwält*innen, von unbekannten Personen – im Rheinland war das auch schon erfolgreich, insofern: Es ginge ohne U-Haft wenn sie denn wollten…
Es gibt auch keine Erzwingungshaft, welche vorgesehen ist, wenn Menschen ihre Personalien verweigern um sie dazu zu bringen, diese herauszurücken, anders als beispielsweise bei nicht gesetzlich vorgesehener Aussageverweigerung vor Gericht. Auch für die Sicherung von zivilrechtlichen Forderungen sind Knäste eigentlich nicht vorgesehen. Hier macht sich das Gericht zum Vollstreckungsgehilfen des Kapitals, indem es den angeblich hohen Schaden zum Anlass nimmt, die Untersuchungshaft für verhältnismäßig zu erklären. Angeblich hat es den durch die Haft entstehenden Schaden bei den Menschen und den Eingriff in deren Leben abgewogen gegen die Bedeutung der Strafsache und die rechtlichen Folgen. Mal abgesehen davon, dass es so gut wie nie verhältnismäßig ist, Menschen einzusperren, wird hier auch schlicht die Personalienverweigerung bestraft. Verhältnismäßig soll die Haft nämlich auch sein, weil die Personen gegen §111 OwiG (also die Pflicht zur Angabe von Personalien) verstoßen haben sollen. Selbst schuld sind die Inhaftierten also aus Sicht des Gerichts – ein bisschen so als ob die Gerichte persönlich beleidigt sind, wenn Menschen sie nicht anerkennen oder ihre Kooperation verweigern, indem sie keine Personalien angeben.
Ein spannendes Detail am Rande ist auch, dass Ava im Knast das Rauchen verweigert wird mit der Begründung, sie sei noch nicht sicher volljährig. Amtsgericht und Landgericht sehen jedoch keine Zweifel an der Volljährigkeit, denn sonst bräuchten sie besondere Gründe für die Anordnung der U-Haft. Hier wird mal wieder klar, wie willkürlich Auslegungen sind, allein um Menschen, die in die Mühlen der Justiz geraten sind, zu schikanieren. Hier kommt vermutlich noch politisches Interesse hinzu, möglichst abschreckend zu agieren. Es wird nicht erfolgreich sein, denn die Klimakrise erfordert Handeln. Wenn wir auf Regierungen warten, wird es noch weitere Waldbrände geben, so viel können freiwillige und unfreiwillige Feuerwehren gar nicht löschen!