Die Meldeauflagen gegen drei der Personen, die Personalien bei der Haftprüfung angegeben haben wurden Ende September außer Kraft gesetzt. Dennoch eine einschneidende Willkür – einer der Betroffenen hat einen Bericht darüber verfasst.
Nach einer richtig tollen Aktion im und ums Kraftwerk Jänschwalde wurden wir alle in die
Gefangenensammelstelle der Polizei Cottbus gebracht. Mein persönliches Erleben dort war recht empowernd – in einer Mehrpersonenzelle konnten wir sogar die Hausordnung der Einrichtung bekommen und hielten unser Personal mit den verschiedensten Wünschen auf Trab. Mensch ärger dich nicht wollten sie zwar partout nicht mit uns spielen, aber immerhin konnte eine Person immer wieder rauchen gehen. Mit diesem Spirit und mit entsprechendem Selbstbewusstsein wurde ich Tags drauf zur Haftprüfung (wir verweigerten unsere Personalien) vor eine Richterin gebracht.
Die Richterin war eine Person, die es nicht nur sehr eilig hatte, mit uns fertig zu werden – sondern die sich regelrecht daran erfreute, uns fertig zu machen. Kalt, hart und streng ließ sie keine Faxen zu und bestellte sich direkt zwei Polizeibeamt*innen in den Raum, als ich mich auf den falschen Stuhl (den mit Polster) setzen wollte. Das ging ja gar nicht gut los.
Nicht ahnend, dass ich bei einer Richterin gelandet war (mir sagte ja niemand was passiert und wohin es als nächstes geht) – verlangte ich natürlich eine*n Anwält*in zu sprechen – ich hatte so eine Ahnung dass ich das dürfte bevor ich zu irgendeiner Richter*in gebracht würde. Der Plan dieser Richterin sah aber erst vor, einige Dinge ohne Anwält*in zu regeln – wie z.B. meinen Namen angeben und ob ich Aussagen machen würde und so. Ich bestand aber auf eine*n Anwält*in bevor ich irgendwas mitmachen würde und schließlich durfte ich ihr einen Anwält*innennamen nennen. Ich musste den Namen Buchstabe für Buchstabe durchgeben mit dem Ergebnis dass der Anwalt gerade nicht da war. Kein Problem – ich hatte ja noch einen zweiten Namen auf meinem Zettel stehen. Aber nein – die Richterin war nicht willens einen zweiten Namen durchzugeben und herrschte mich an, dass jetzt entweder ein beliebiger der im Warteraum extra bestellten wartenden Anwält*innen kommen würde – oder ich hätte halt gar keine*n Anwält*in. Was soll man dazu sagen? Mir blieb bei dieser Frechheit kurz die Spucke weg – doch ich entschied mich dafür, lieber Unterstützung durch eine*n mir unbekannte und evtl. nicht sehr bewegungsnahe Anwält*in zu bekommen – als alleine dieser augenscheinlich bösen Person und den beiden Polizist*innen im Raum gegenüberzusitzen.
Der Anwalt, der kam, empfahl mir im persönlichen Gespräch, besser in Untersuchungshaft zu gehen – zwei Monate zu sitzen und danach wär es vorbei: Keine Option, für die ich mich im Vorfeld dieser Aktion entschieden hatte. Ich war ja kurz am Zweifeln – aber für monatelange Untersuchungshaft hätten sie mich schon mehr ärgern müssen. Er war recht erstaunt darüber und ließ prompt seine Empfehlung von der bösen Richterin in der Verhandlung zu Protokoll geben.
Ich bekam die Möglichkeit, meine Personalien anzugeben. Doch siehe da – irgendetwas musste wohl falsch sein – die Kripo-Person die mich recherchierte, konnte mich nicht finden. Offenkundig log ich – die böse Richterin begann bereits zu feixen und freute sich scheinbar, mich hinter Schloss und Riegel zu bringen. Was ich vergessen hatte: Ich habe noch einen zweiten Vornamen. Ohne den konnten sie mich scheinbar nicht finden. Als ich den doch noch nannte, war alles was ich angegeben hatte korrekt und ich war richtig gemeldet, auffindbar usw.usf.. Wenn sich die fiese Kripo-Beamtin nicht so dumm-plump gemein verhalten hätte – ich würde glatt denken deren IT-Systeme wurden seit dem letzten Jahrtausend nicht mehr aktualisiert.
Naja – wie auch immer, ich dachte ja, damit wäre der nervige Teil erledigt und ich könnte endlich raus. Aber: Von wegen. Wohlfeixend breitete die böse Richterin mir aus, dass jetzt zwar der Haftgrund weggefallen sei, der durch meine Personalienverweigerung bestand – aber ich könnte ja immer noch untertauchen und den Verschwindibus machen. Ich weiß ja nicht was so ihre Vorstellungen vom klimachaotischen Untergrund so sind – vermutlich ahnt sie von der geheimen Existenz unserer Tunnelsysteme zwischen Hambacher Forst, Rojava in Kurdistan und diversen andere Besetzungen. Auf jeden Fall drohte sie mir, wenn ich nicht innerhalb der nächsten Minuten glaubhaft machen könnte, dass ich ein gefestigtes Umfeld und Leben habe, würde ich direkt in Untersuchungshaft kommen. Und mit einem süffisanten Lächeln fügte sie hinzu, dass die U-Haft ja nur bei unbekannten Personen zeitlich begrenzt sei – in meinem Falle, mit bekannten Personalien gälte die Untersuchungshaft dann aber bis zum Prozess – wann auch immer der irgendwann im nächsten Jahr sein würde.
Mein Anwalt: Schweigt.
Spätestens da kam ich ins Schwitzen.
Mein Anwalt: Tipp: Besser was von mir, meiner Arbeit, Studium, Hobbys und so erzählen.
Ich packe also aus was ich so lohnarbeite. Die böse Richterin ließ sich daraufhin direkt die Namen meiner Vorgesetzten geben und fragte sich laut, ob ich da noch weiterbeschäftigt werden könnte mit derartigen Strafvorwürfen und ob dieser Verein seine Gemeinnützigkeit bewahren könnte bei Leuten wie mir – also ich übertreibe nicht, wenn ich sie ‘böse’ nenne. Und auch schon ganz schön dreist von ihr, so alle möglichen Informationen aus mir rauszuquetschen unter Drohung von Untersuchungshaft. Eigentlich weiss ich ja, dass keine bis vage Informationen eigentlich reichen und weniger preisgeben politisch viel klüger ist und ich glaube ich habe auch nur das nötigste gesagt – aber der Druck den sie da auf mich aufgebaut hat war schon nicht ohne.
Scheinbar reichten meine Informationen dann doch noch aus, damit der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wurde – aber nur unter strengen Auflagen. Nämlich: Ich darf keine Straftaten machen. Und ich muss mich !jeden! Tag bei der Polizeiinspektion, die bei mir in
der Gegend ist, melden. In meinem Fall ist die Polizeiinspektion 11km von meinem Wohnort entfernt. Wenn ich gegen die Auflagen verstoße, gibt es eine deutschlandweite Fahndung nach mir und ich komme ohne Umschweife und ohne weitere richterliche Anhörung nach Cottbus in Untersuchungshaft. Rate mal, wer mir das mit einem fiesen Grinsibus im Gesicht mitgeteilt hat. Mit dem Zusatz, dass ich erwarten dürfe nach dem Prozess lange Haftstrafen abzusitzen und dass sie bis zum Prozess jeden meiner Schritte überwachen würde und Ortswechsel zwar möglich – aber nur mit Begründung bei ihr beantragt werden müssen, mit Adresse wo ich mich aufhalte und natürlich dann mit Meldung bei der Polizeiinspektion des entsprechenden Ortes.
Das war am Dienstag, den 20.09.2022 gegen frühen Nachmittag. Meine erste Meldung stand dann am Mittwoch den 21.09.2022 ein paar hundert Kilometer weit weg bei der Polizeibehörde an. Ich durfte gehen und hatte auf einmal ein kleines bisschen Zeitstress. Ich realisierte erst draußen an der Mahnwache, als ich den auf uns wartenden und den auch nach und nach frei kommenden Menschen erzählte, dass mir von der bösen Richterin eine Fußfessel aufgebrummt worden war, dass das bis dahin noch niemand sonst von uns bekommen hatte. Insgesamt waren drei Haftrichter*innen parallel am Werk und nur eine – die böse – wollte neben Personalien noch Informationen und lies Leute nur unter genannten Auflagen raus. Da fiel es mir schon ein bisschen schwer, die Fassung zu wahren.
Letztlich waren wir dann drei Menschen in unterschiedlichen Rollen und Orten in der Aktion, die alle das Pech hatten, vor der bösen Richterin gelandet zu sein und mit einem Verbot von Straftaten und täglicher Meldeauflage raus zu kommen. Die vierte Person hatte einen solidarischen Anwalt dabei und war auch selbst nicht unerfahren: Sie riefen im Verfahren die Staatsanwaltschaft an. Die Staatsanwaltschaft – so stellte sich heraus – hatte angeordnet dass wer Personalien angeibt, frei kommt. Sie ließ sich also überzeugen auch für diesen Fall den Haftbefehl zurück zu nehmen, womit keine Auflagen oder ähnliches mehr möglich waren. Und dann riefen sie die Staatsanwaltschaft noch ein zweites mal an und reichten das Telefon der bösen Richterin weiter – da diese davon beim ersten mal nichts wissen wollte. Und natürlich änderte sie von sich aus auch nichts an den dreien bereits begangenen Fehlsprüchen.
Wie ich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch herausfand, hatte ich in den folgenden Wochen jeden Tag bis 24 Uhr Zeit mich zu melden – die Polizeiinspektion ist 24/7 offen und im Dienst. Das entspannte mich etwas – mein Anwalt hatte mir ja geraten so schnell wie möglich nach Hause zu fahren, aber so fand ich dann selbstständig heraus, dass ich ja noch jede Menge Zeit hatte und mich erstmal zumindest über Nacht zusammen mit dem Rest der Gruppe in unser Tunnelsystem zurückziehen konnte.
Bei der Polizeiinspektion verliefen die Unterschrifttermine immerhin recht entspannt. Nach kurzer Zeit wurde ich von einigen Beamt*innen erkannt und musste nicht immer erklären in welchem Ordner mein Zettelchen liegt und in welcher Farbe das im Ordnersystem abgelegt war. Ein wenig fragte ich mich ja schon, ob sie wohl jede Nacht um Mitternacht checken würden ob ich schon zur Unterschrift vorbeigekommen war. Ich habe da so meine Zweifel. Im Laufe der Zeit stellte ich auch fest, dass keine Straftaten begehen dürfen schon etwas verunsichernd ist. Was, wenn die Polizei während einer Demo plötzlich auf dumme Gedanken kommt und alle kesselt? Oder wenn es unbedacht den fünf-Finger Rabatt im Laden gibt oder die öffis (ausversehen) zum Nulltarif fahren? Oder halt – wenn ich es einfach mal verpeile meine persönliche Signatur auf dem Zettelchen der Polizei zu machen.
Zeitlich fand ich die 11km Weg zur Polizeiinspektion täglich – herausfordernd – wegen Fußverletzung war Fahrradfahren doof, Zugfahren mit Fahrrad – Kombi ging, dauerte aber eigentlich zu lang (über zwei Stunden hin und zurück) und jeden Tag Auto fahren kommt nicht in Frage. Aber auch die Beamt*innen wunderten sich ob der ungewöhnlichen Härte der Maßnahme. Ob ich denn da nicht dagegen klagen könnte. Gute Idee eigentlich. Und tatsächlich – es gab Kommunikation über zugewiesenen, wie auch solidarischen Anwalt zum Gericht und zur Staatsanwaltschaft.
Am Morgen des 07.10.2022 erfuhr ich, dass der Haftbefehl schon zum 29.09.2022 aufgehoben worden war, von der Staatsanwaltschaft beantragt. Wer auch immer das nicht weitergeleitet hat an meine Polizeiinspektion oder an die Polizist*innen, die mich eine Woche lang verarscht haben: Schweinebande! Was fällt euch eigentlich ein?
Aber: Es ist schön, nicht mehr täglich zu Team Blau zu müssen, und wieder Straftaten machen zu dürfen.