Verwaltungsklage gegen die Bedingungen beim Gewahrsam

Dass sich die Bullen selbst eher nicht so gerne an Gesetze halten, ist ja nichts neues. Wer das glaubt, denkt auch der Verfassungsschutz würde die Verfassung schützen. „Naja, zum Glück kann man doch dann dagegen vor Gericht gehen, oder nicht?“ – diesen Satz hören wir öfter, wenn wir von Polizeigewalt gegen Umwelt-Aktivist*innen berichten. Ich glaube nicht mehr an diesen Satz.

Aber es gibt einen anderen schönen Satz: „Gefährliche Leute muss man beschäftigt halten, sonst beschäftigen sie dich.“

Und jede Minute, die Bullen mit Papierkram beschäftigt sind, ist eine Minue in der sie niemanden verprügeln, überwachen, demütigen, anlügen, oder bedrohen können. Das ist einer der Gründe, warum es sinnvoll sein und sogar Spaß machen kann, die Bullen zu verklagen.

Nach unserer Aktion wurden viele von uns festgenommen und für knapp anderthalb Tage weggesperrt. Dabei ist viel Mist passiert, der den „Terror“ der uns vorgeworfen wird, völlig in den Schatten stellt. Insbesondere ging es darum, unsere Verhandlungsfähigkeit einzuschränken, also genau das Ding mit dem Rechtsweg, was denen ja angeblich so wichtig ist.

Hier also ein Auszug aus einer Klage gegen die Bedingungen, unter denen wir eingesperrt waren (CW: sexuelle Belästigung, Polizeiwillkür, Zwang, Transfeindlichkeit):

Sachverhalt:

Am 19.9.2022 gab es eine Protest-Aktion im Braunkohle-Kraftwerk Jänschwalde. Im diesem Zusammenhang wurde unter anderem das Antragsstelli gegen 10:00 Uhr abgeführt und festgenommen. Diese freiheitsentziehende Maßnahme entfernte das Antragsstelli mit Zwang von einer Versammlung, ohne dass es von der Versammlung ausgeschlossen worden war.

Dann erfolgte eine Durchsuchung durch männliche Beamte – weil das Antragstelli sich nicht traute, den Beamten deren diverse Geschlechtsidentität kundzutun, nur mit generellem Widerspruch gegen die Maßnahme, und ohne die Bitte, von diversen Beamten durchsucht zu werden.

Im Folgenden wurde das Antragsstelli in einen GefKW [Gefangenentransporter] verbracht, und nach einiger Zeit Aufenthalt im solchen in ein Zimmer auf dem Gelände der LEAG verbracht, welches als Gemeinschaftszelle umfunktioniert worden war. Dort musste das Antragsstelli mehrere Stunden verweilen, in etwa von 11:00 bis 14:00. Während der gesamten Zeit wurde dem Antragsstelli auf mehrfache Nachfrage die Auskunft verweigert, auf welcher Rechtsgrundlage die Freiheitsentziehung ruhte, sowie ein Telefonat mit einem rechtlichen Beistand verweigert.

Etwas nach 14:00 Uhr wurde das Antragsstelli wieder in einen GefKW verbracht und in die PD Cottbus-Süd verbracht. Das war das letzte Mal für über 24 Stunden, dass das Antragsstelli Tageslicht sah. Unter Androhung von Gewalt wurde das Antragsstelli gezwungen, Ohrringe und einen Piercing herauszunehmen, und weggenommen. Der Widerspruch gegen diese Maßnahme wurde nach Erachtens des Antragsstellis nicht protokolliert. Ein Beschlagnahmeprotokoll hierfür wurde auf Nachfrage nicht ausgehändigt, und der Schmuck auch nach Beendigung der Freiheitsentziehung einbehalten. Das Antragsstelli sieht hier den Tatbestand von Schweren Raub nach §250 (1) 1. a) StGB erfüllt. Desweiteren wurden dem Antragsstelli sämtliche persönlichen Gegenstände und alle Kleidung bis auf ein T-Shirt, eine Unterhose, und eine Strumpfhose abgenommen, welche später jedoch wieder ausgehändigt wurden, mit Ausnahme einer Isomatte, welche ohne Begründung einbehalten wurde, sodass ihr Verlust erst gegen Abend auffiel, sowie einer verschlossenen Packung mit Schlössern und Schlüsseln, gegen deren Einbehaltung das Antragsstelli Widerspruch einlegte. Ob dies protokolliert wurde war nicht zu erkennen.

Bei der Aufnahme in die PD Süd war das diverse Geschlecht des Antragsstellis wohl sichtbar, es wurde jedenfalls gefragt, ob es „männlich oder weiblich“ sei. Das Antragsstelli traute sich nicht darauf zu antworten. Daraufhin bekam es von den Beamt*innen eine männlich konnotierte Identifikationsnummer aufgedrückt, welches bedeutete mit männlichen Gefangenen zusammen eingesperrt zu werden, vor allem aber von männlichen Beamten durchsucht und beim Toilettengang beobachtet zu werden.

Daraufhin wurde das Antragsstelli in eine Gemeinschaftszelle (Zelle 03) eingesperrt, vorerst alleine, später kamen andere Gefangene hinzu. Die Zelle war nur mit einem Fenster mit Milchglasscheibe ausgestattet, das nicht von innen zu öffnen war. Außerdem war die Zelle nur mit zwei schmalen Bänken statt Betten ausgestattet. Toilette oder Waschbecken fehlten. Es gab eine Lüftung, die die Zelle mit kalter Frischluft versorgte; da das Antragsstelli mangelhaft bekleidet war, stellte dies ein Gesundheitsrisiko dar. Auf Nachfrage wurde dem Antragsstelli keine zusätzliche Kleidung aus deren persönlichem Besitz ausgehändigt, nur eine dünne Decke, die dem Anschein nach nicht aus Stoff bestand, und durch die man beim richtigen Licht hindurchsehen konnte.

Auf mehrfache Nachfrage wurden den Gefangenen irgendwann die Gewahrsamsrichtlinien ausgehändigt, in laminierter Form. Ein Mitgefangener erreichte somit, rauchen zu dürfen. Letztlich mussten die Gewahrsamsrichtlinien wieder zurückgegeben werden.

Der Toilettengang war wegen der mangelnden Ausstattung der Zelle nur auf Nachfrage möglich. Dafür musste das Antragsstelli nach aufsichtshabenden Beamt*innen „klingeln“, die oft für längere Zeit nicht reagierten. Da keine Uhr verfügbar war und ein Blick auf den Gang unmöglich war, ist unklar wie lange und aus welchem Grund die Beamt*innen nicht auf dieses Klingeln reagierten, oft fühlte es sich nach weiterer Willkür an. Wenn das Antragsstelli dann endlich aufs Klo gelassen wurde, stand dabei jedes Mal ein männlicher Beamter in der Tür, hielt die Tür auf, und beobachtete das Antragsstelli beim Toilettengang, angeblich aus Sicherheitsgründen. Auf Widerspruch gegen diesen Eingriff in die Menschenwürde wurde nicht reagiert. Teilweise nahmen die Beamt*innen gezielt Blickkontakt auf.

Die Toilette hatte keinen ersichtlichen Abspülknopf. Durch Beobachtung fand das Antragsstelli heraus, dass sich der Knopf auf dem Gang befand; nach einigen Toilettengängen drückte das Antragsstelli auf dem Gang selbst auf den Knopf, um wenigstens selbst abspülen zu dürfen. Dies wurde zwei Mal akzeptiert; als das Antragsstelli danach ein drittes Mal auf der Toilette saß, wurde plötzlich aus dem Nichts heraus abgespült. Das Wasser berührte das Antragsstelli an den Genitalien. Auf verwirrte Nachfrage was das soll, wurde von einem männlichen Beamten spöttisch geantwortet: „das ist unsere Toilette, da entscheiden wir, wann abgespült wird“. In diesem Vorgang sieht sich das Antragsstelli sowohl sexuell belästigt, allgemein in der Menschenwürde verletzt, als auch in deren Geschlecht diskriminiert.

Ein Telefonat mit einer Vertrauensperson (u.a. zur Organisierung von rechtlichem Beistand) wurde weiter verweigert. Erst gegen Abend wurde das Antragsstelli in einen Raum drei Beamt*innen in Zivil geführt, welche wohl die Ermittlungen leiteten. Hier erfuhr es das erste Mal von der Rechtsgrundlage der Freiheitsentziehung, und dass für den nächsten Tag eine Haftvorführung angesetzt war. Es stellte die Bitte, eine Vertrauensperson anzurufen, weil es sich nicht an den vollen Namen der Anwältin des Vertrauens erinnerte. Dies wurde auch nach längerer Diskussion verweigert, angeblich existiere kein solches Recht (obwohl dies sowohl in § 114 (2) Nr. 6 StPO als auch in §19 (2) BbgPolG klar vorgesehen ist).

Stattdessen wurde verlangt, aus dem Gedächtnis einen Anwalt zu nennen. Ersatzweise nannte das Antragsstelli den Namen eines anderen Anwalts, mit dem klaren Eindruck, sonst gar keine rechtliche Vertretung zu erhalten, oder einen rechtsradikalen Anwalt als Pflichtverteidiger zugeteilt zu bekommen. Daraufhin war ein kurzes Telefonat mit dem Anwalt […] möglich, in dessen Folge er dem Antragsstelli als Verteidiger beigeordnet wurde – allerdings weigerten sich die Beamt*innen, währenddessen das Zimmer zu verlassen, sodass keine vertrauliche Kommunikation möglich war, um den Anwalt tatsächlich auf seine Rolle vorzubereiten. Hierin stellte sich das erste Anzeichen dar, dass die Verhandlungsfähigkeit des Antragsstellis für die für den nächsten Tag angesetzten Haftvorführung gezielt eingeschränkt werden sollte.

Das Antragsstelli beantragte, Schreibmaterial ausgehändigt zu bekommen, um Anträge für die bevorstehende Verhandlung schreiben zu können. Dies wurde verweigert.

Auf Nachfrage wurde dem Antragsstelli Essen ausgehändigt, jedoch gab es nicht ausreichend vegetarisches Essen, um den Kalorienbedarf eines erwachsenen Körpers zu decken. Während der gesamten Zeit (über 24 Stunden) in Zelle 03 bekam das Antragsstelli eine Instant-Suppe, einen Falafel-Wrap, ein Brötchen mit vegetarischer Wurst, sowie einen Salat ausgehändigt. Die auf der Packung angegebenen Kalorien summierten sich auf weniger als 1400 kcal (die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Kalorienzufuhr von 2300 kcal für meinen Körper). Es liegt der Schluss nahe, dass diese Mangelernährung gezielt herbeigeführt wurde, um die Verhandlungsfähigkeit des Antragsstellis einzuschränken.

Dieser Schluss ergibt sich auch aus der Anordnung, während der Nacht weder Matratzen bereitzustellen noch das Licht auszuschalten. Es standen in Zelle 03 nur zwei schmale Holzbänke zur Verfügung, auf die die 4 Gefangenen nur knapp passten. Auf Nachfrage wurde allen Gefangenen zumindest eine zweite Decke ausgehändigt; dies schien Kulanz des diensthabenden Beamten vor der Tür zu sein. Die Anordnung das Licht anzulassen und keine Matratzen bereitzustellen schien von weiter oben zu kommen und sollte wohl gezielt zum Schlafentzug führen. Auch dies erweckt beim Antragsstelli den Eindruck, dass hier strategisch die Verhandlungsfähigkeit eingeschränkt werden sollte. Schlafentzug ist keine Bagatelle, sondern eine Form von „weißer Folter“ (welche beim Opfer keine sichtbaren Spuren hinterlässt).

An dieser Stelle forderte das Antragsstelli abermals mehrfach die Gewahrsamsrichtlinien ein, um die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme einschätzen zu können und auf unser Recht auf Schlaf zu bestehen. Die Einsicht wurde verweigert. Die Beamt*innen behaupten desweiteren, die Gewahrsamsrichtlinien die wir zuerst gesehen hätten, wären nicht mehr gültig, da sie von einer Polizeibehörde Frankfurt/Oder ausgestellt worden wären, das nicht mehr existiere (ob PI, PD, oder PP ist dem Antragstelli nicht mehr genau erinnerlich). Das Antragsstelli forderte, mit deren Anwalt telefonieren zu können. Auch dies wurde verweigert.

Erst später in der Nacht (auf Nachfrage: etwa 2 Uhr morgens) wurden von Beamt*innen dann doch Matratzen in den Raum geschleift – scheinbar hatten ältere Gefangene in anderen Zellen die Bereitstellung der Matratzen erkämpft. Das Licht wurde jedoch weiter anbelassen. Die Beamt*innen kündigten an, dass die Gefangenen sich gar nicht erst auf Schlaf zu freuen brauchten (ein weiteres Indiz dass diese Maßnahmen Methode hatten) und weckten die Zelleninsass*innen auch in der Folge regelmäßig auf, unter anderem, um Gefangene zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung abzutransportieren.

Am nächsten Morgen wollte das Antragsstelli duschen, was deren Erinnerung nach laut den Gewahrsamsrichtlinien möglich sein sollte. Dies wurde verweigert.

Gegen 17:00 Uhr wurde das Antragsstelli aus der Zelle geholt. In den über 24 Stunden in der Zelle war es zu keinerlei richterlichen Anhörung über die freiheitsentziehende Maßnahme gekommen. Zusammen mit einer Kiste an persönlichen Gegenständen, in die das Antragsstelli zu diesem Zeitpunkt keinen Einblick hatte, und die von Beamt*innen getragen wurden, wurde es mit einem GefKW ins Amtsgericht Cottbus transportiert und in eine weitere Zelle verbracht.

Nach einiger Zeit kam ein Anwalt in das Zimmer, der dem Antragsstelli erzählte, dass der eigentliche Anwalt […] nicht da wäre, und eine Richterin gesagt habe, er solle die Vertretung übernehmen. Um seine Vertrauenswürdigkeit einschätzen zu können, folgte ein Gespräch über die Sachlage. Nach etwa 15 Minuten kam dann doch [der richtige Anwalt] ins Zimmer, erklärte seinem Kollegen dass er der richtige Anwalt sei, und ein Missverständnis vorliege. Er wäre sehr wohl dagewesen, habe aber nur durch Zufall mitgekriegt, dass das Antragstelli hier sei und in welcher Zelle es verwahrt wurde, dies sei ihm nicht mitgeteilt worden. Sein Anwaltskollege zog ab, um ein ernstes Wort mit besagter Richterin zu wechseln. Kurz darauf wurde auch schon zur Verhandlung aufgerufen, um über den Haftbefehl gegen das Antragsstelli zu entscheiden.

Im Rahmen der Haftvorführung gab das Antragsstelli deren Personalien an. Diese Entscheidung fiel nicht nur, jedoch auch wegen des massiven rechtswidrigen Drucks, den die Gewahrsamsbedingungen auf das Antragsstelli ausgeübt hatten. Daraufhin wurde der Haftbefehl aufgehoben (oder von der Staatsanwaltschaft zurückgezogen, da verbleibt die Erinnerung etwas unklar).

Im folgenden wurde dem Antragsstelli ein Platzverweis erteilt und eine Tasche mit deren persönlichen Gegenständen ausgehändigt. Beschlagnahmeprotokolle oder andere Dokumentation über die erfolgten, hier beschriebenen Maßnahmen, geschweige denn eine Rechtsbelehrung, erhielt es nicht. Desweiteren fehlten in der Tasche besagter Schmuck sowie eine Isomatte, was dem der Situation entsprechend aufgewühlten Antragsstelli jedoch erst später auffiel.

Rechtliche Bewertung:

Da das Antragsstelli vor der Festnahme nicht aus der Versammlung ausgeschlossen worden war, wurde durch die Maßnahme deren Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt. Dies mag bei vorläufigen Festnahmen rechtmäßig sein, falls es sich zu diesem Zeitpunkt jedoch um eine Ingewahrsamnahme handelte, wäre deren Rechtswidrigkeit festzustellen.

Die rechtlich vorgeschriebene Vorführung vor Gericht fand nicht unverzüglich statt. Dadurch wurde die freiheitsentziehende Maßnahme inklusive der Grundrechtsverletzungen unnötig über 24 Stunden in die Länge gezogen. Eine schriftliche Belehrung erfolgte ebenfalls nicht.

Die konkreten Gewahrsamsbedingungen sowie willkürlicher Machtmissbrauch der involvierten Beamt*innen verletzten das Antragsstelli außerdem in der Menschenwürde, diskriminierten es in Bezug auf Geschlecht, verletzten deren Fernmeldegeheimnis sowie die Vertraulichkeit der Anwaltskommunikation. Im gesamten wurde dem Antragsstelli die Möglichkeit genommen, Prozesshandlungen selbstbestimmt und nach freiem Ermessen vornehmen zu können, und der Rechtsweg gegen diese Grundrechtseinschränkungen erschwert.

Eine weitere Begründung folgt nach Akteneinsicht.

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