Brief von Ava: Ich vergleiche mich NICHT mit Sophie Scholl

Richtig-Stellung des WELT-Artikels „Nach zehn Stunden wird die Angeklagte Nr. 156282 dann doch verurteilt“ am 18.11.22 von Kerstin Rottmann

Wie von Springer-Blättern nicht anders zu erwarten, werden mal wieder Worte falsch wieder gegeben und aus Kontexten gerissen. Von Frau Rottmanns Darstellung: „Später vergleicht sie [ich] sich und andere Protestler noch mit Sophie Scholl – deren Protest gegen die Nazis sei auch erst Jahrzehnte danach gewürdigt worden.“ , möchte ich mich ausdrücklich distanzieren. Die ist nämlich Bullshit.

Meine Worte im Gericht lauteten: „Eine Frau, die – und es ist mir sehr wichtig, das zu betonen – in sehr anderen Verhältnissen lebte und kämpfte als wir, aber deren Worte trotzdem Gültigkeit behalten haben, ist Sophie Scholl. Sie wusste: Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht.

Heute ist es anders herum: Das Gesetz steht still, während das kaum noch an sich halten kann angesichts der sich dramatisch verschlechternden Zustände.“

Das ist mein gesamter Absatz zu diesem Thema . Damit vergleiche ich mich weder direkt, noch indirekt mit Sophie Scholl, sondern nehme Bezug auf eines ihrer Zitate und wandle dieses ab.

Das momentane gesellschaftliche Debattenklima ist voll von Vergleichen mit dem Nationalsozialismus und es gibt wenig rhetorische Mittel, die mich mehr anwiedern. Sie sind verharmlosend gegenüber den Verbrechen des Nationalsozialismus und verhöhnen ihre Opfer und Betroffenen und ihre Familien. Im Traum würde mir nicht einfallen, meinen Aktivismus und meine Situation mit der von Widerstandskämpfer*innen im Dritten Reich zu vergleichen.

Auch wenn ich der „Rechts“-auffassung dieses Staates in vielen Punkten widerspreche, ist es ein ungemeines Privileg, unter welchen Bedingungen ich hier verurteilt und inhaftiert werde. Das zu betonen heißt nicht, Stiefel zu lecken, sondern darauf hinzuweisen, von was für einem himmelweiten Unterschied wir hier sprechen. Wir reden von ein paar Monaten bei Vollverpflegung, nicht dem Todesurteil. Wir reden von Paragraphen, die überhaupt nicht für Fälle wie meinen geschrieben wurden und nicht von solchen, die eigens dafür geschaffen wurden jeden Widerstand im Keim zu ersticken. Wir reden von faschistischer Diktatur vs. parlamentarischer Demokratie, an derer Theorie und Praxis zwar mehr als genug Kritik zu üben ist, die ungerecht und autoritär ist, aber die sich dennoch ein gewisses Maß an „Rechts“-staatlichkeit auf ihre blöden Fahnen schreibt, von der andere Aktivist*innen nur träumen können.

Mir in den Mund zu legen, ich würde diese zwei Welten miteinander vergleichen, ist grob falsch, journalistisch inkompetent und ziemlich beleidigend. Dieser und ähnliche Artikel sind darum zu korrigieren. Danke Tschüss.

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